© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/99 17. Dezember 1999 | ||||
LOCKERUNGSÜBUNGEN Verantwortung Karl Heinzen Dank der Sensibilität des Außenministers kann auch die Bundeswehr einen ein klein wenig mehr als symbolischen Beitrag zu der Sicherheit und dem Aufbau einer demokratischen Ordnung in Ost-Timor leisten. Wir dürfen nicht zusehen, wenn regionale Instabilitäten direkt vor unserer Haustür den Frieden in Europa bedrohen: In einer Zeit globaler Ausrichtung der Wirtschaft müssen auch die Staaten, die man sich immer noch leistet, diese Perspektive zurückgewinnen. Sehr viele der von den entwickelten Nationen aufgegebenen Kolonien haben es oft schon schwer genug, sich in ihrer Identität zurechtzufinden, und scheitern erst recht in der flexiblen Anpassung an die Erfordernisse der globalen Arbeitsteilung. Den Wohlstandsnationen darf dies nicht gleichgültig sein: Es kann nicht in ihrem Interesse liegen, wenn irgendwo einträgliche Beschäftigungschancen ungenutzt bleiben. Nicht alle Staaten mit kolonialer Erfahrung sind jedoch bereit, auch heute so offen Verantwortung zu übernehmen wie Portugal in Ost-Timor. Den Abschied Macaos vor Augen, scheinen sich alle Ambitionen nunmehr auf das Projekt zu richten, die indonesische Besatzung der Inselhälfte nur als ein Intermezzo erscheinen zu lassen. In all den übrigen Kolonien, die 1975 Hals über Kopf verlassen wurden, konnte man froh sein, wenn man über die Bande von Sprache und Kultur in losem Geschäftskontakt blieb. In der Implementierung eines selbständigen Staates Ost-Timor besteht nun hingegen die begründete Hoffnung, daß dieser am Erfahrungsvorsprung des Mutterlandes erfolgreich partizipieren kann. Viele der Staaten, die die Welt in den vergangenen Jahrzehnten neu kennenlernen durfte, haben eine derartige Chance nicht gehabt. Man zwang sie zu Fehlern, bloß um den Schein ihrer Selbstbestimmung zu wahren, und mied die Effizienzvorteile, die ein offener Oktroy von Verfassung, Verwaltungssystem und handelspolitischer Ausrichtung bot. Diese Fehler werden in Ost-Timor nicht wiederholt. Portugal zeigt sich gewillt, diesem in sich zerrissenen Land eine neue Einheit zu vermitteln mit der Landessprache Portugiesisch als einer Brücke zwischen den Feinden von einst, mit dem Escudo als einer Währung, die mit dem Euro im Rücken Vertrauen stiftet, mit europäisch geprägten Institutionen, die auch die Entstehung einer neuen demokratischen Elite und die Etablierung weltoffener Eigentumsverhältnisse ermöglichen. Da die indonesische Nation sich nicht bewährt hat, ist es legitim, nach Alternativen zu suchen. Ost-Timor könnte ein Modell für die ganze Region werden, das den Trend zu kleineren, besser berechenbaren Nationen stärkt. Voraussetzung für diese Umgestaltung ist eine Hilfestellung von außen, die in aller Unvoreingenommenheit keine Rücksichten auf die Interessenlage Dritter nimmt. Hier fügt sich das deutsche Engagement, so klein es auch ist, konzeptionell ein. |