© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/99 17. Dezember 1999 | ||||
CD: Pop Vor dem Ausbruch Ulli Baumgarten Nur wenige Gruppen haben in der "Schwarzen Szene" einen so guten Namen wie die italienische Formation Kirlian Camera. Die Gruppe um Angelo Bergamini hat die Szene geprägt, hat oft Entwicklungen vorweggenommen, ihr eine Identität gegeben und ist zum Feindbild für viele Außenstehende geworden; verkörperten Kirlian Camera doch immer auch den Teil der Szene, der im Verdacht stand, Sympathien für rechte Weltanschauungen zu haben. Natürlich waren Kirlian Camera zu keinem Zeitpunkt Faschisten, aber allein ihr Eintreten für Leidenschaften und große Gefühle, daß sie Nietzsches "Gefährlich leben" in Musik umzusetzen schienen, reichte aus, um sie den Antifaschisten suspekt zu machen. Die Italiener störten sich jedoch nicht nur nicht daran, sondern vervollkommneten ihre Musik und ihr Auftreten immer mehr. Wo Gruppen wie Laibach und Rammstein ein "umstrittenes" um die Diktion ihrer Kritiker zu gebrauchen Image kreierten, aber einfach nur provozierten, um Kohle zu machen, da schienen Kirlian Camera Ernst zu machen. Zur Enttäuschung des Establishments gingen die Italiener aber niemals in die oft simpel gestrickten Fallen, ließen den Faschismus-Vorwurf einfach ins Leere gleiten, indem sie ihn ignorierten, ihn lächerlich machten. Auch ihre Musik war und ist zu komplex, als daß sie dem Klischee des dumpfen Nazi entsprechen würde, bestes Beispiel hierfür ist ihre neue CD "Unidentified light". Von den Medien wird dieses Werk als das poppigste bezeichnet, das Kirlian Camera bisher hervorbrachten; das mag stimmen, wenn man diese CD mit ihrem Gesamtwerk vergleicht, aber für den Normalhörer dürfte diese Musik immer noch schwer verständlich sein, entziehen sich die Musiker doch jeder Form von Banalität und Trivialisierung. Sie widerstehen in allen Belangen den Hörgewohnheiten des Durchschnittskonsumenten, bringen statt Primitivität Komplexität, statt Anpassung an den Massengeschmack Kreativität, statt Dummheit Intelligenz, kurz gesagt: sie machen Musik für eine kulturelle Avantgarde. Die Musik von Kirlian Camera ist obwohl ausschließlich elekronische Instrumente benutzt werden nicht kalt, auch wenn die Grundstimmung einiger Lieder eher etwas distanziert wirkt. Hinter dieser vermeintlichen Kühle steht allerdings, wenn man dieses Klischee benutzen will, ein Vulkan an Leidenschaften, der sich kurz vor dem Ausbruch befindet. Stärke, die sich ihrer selbst sicher ist und sich nicht zu beweisen braucht, ist denn auch der Eindruck, den man beim Anhören dieser CD empfindet. Gleichzeitig mit der CD kam auch eine Maxi-CD heraus, die den sicherlich schönsten und beeindruckendsten Song der CD in drei Versionen bringt: "The burning sea". Zwar stellt sich manchmal durchaus die Frage, warum man ein und dasselbe Lied in drei verschiedenen Versionen hören soll, aber Kirlian Camera schaffen es, daß jede Version das Anhören wert ist. Für den Computerbesitzer beinhaltet die Maxi auch noch ein etwa zwanzigminütiges Video, allein dieses macht den Kauf der Maxi schon zur Pflicht. "Revolution muß Spaß machen", sagte einmal Rudi Dutschke. Mit der Musik von Kirlian Camera macht sie in der Tat Spaß! Beide CDs sind erhältlich bei TRITON, Kronprinzenstraße 106, 40217 Düsseldorf. |