© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/99 17. Dezember 1999 | ||||
Zitate "Und auch für diese Republik fürchte nicht nur ich, daß sie mehr und mehr an ihrer Realitätserblindung leidet. Wenn wir allein diese vielen gescheiterten Reformanläufe seit nun rund zwanzig Jahren ansehen. Dabei weiß nahezu jeder, daß dieses Land eigentlich in eine Reparaturwerkstätte gehörte. Aber wir vertrösten uns von einem Tag zum anderen. ( ) Wir werden sehr viel Verzicht auf Dinge leisten müssen, die uns in Jahren vertraut geworden sind: jeder erkennt die Überspannung der Kräfte, aber alle machen ungeniert weiter. Mitunter denke ich, in der Unfähigkeit zum Verzicht liegt ein Strukturfehler der modernen Demokratie. ( ) Manchmal macht mich diese um sich greifende Tendenz, das eigene Volk von hoher Warte aus zu züchtigen und sich damit zugleich den Anschein zu geben, man habe selber keinen Teil an seiner Schuld, überaus besorgt. Ich muß nicht sagen, daß dies nichts mit dem unbezweifelbaren Anspruch auf Kritik an Zuständen und Verhaltensweisen zu tun hat." Joachim Fest, Publizist und ehemaliger "FAZ"-Herausgeber, in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" vom 12. Dezember 1999
"Eine der großen Enttäuschungen meines Lebens sind die 68er. Von den knapp 200.000 organisierten Studenten, einer ganzen Akademiker-Generation, ist fast nichts geblieben. Gut, von den 200.000 vielleicht 30 Namen, den Bundeskanzler eingerechnet. Aber welche bedeutende Leistung haben sie zuwege gebracht? Was ist von den Impulsen, die sie auf die Sraße getrieben haben, übrig- geblieben? Vergröbert gesagt: Nichts! Eine Generation von Versagern. Wenn sich einer einen Namen macht, ist er Leiter einer Kindertagestätte. ( ) Die Abschaffung von Gott hat die Welt nicht besser gemacht. Früher lag die ideale Welt im Jenseits, dann suchte man Utopia direkt um die Ecke, und da wurde es gefährlich. Als ob man nur die Verhältnisse ordnen müsse, damit alles gut wird. ( ) Zum Glück, das dieses Land hatte und noch hat, gehört, daß es nie eine ernsthafte Krise bestehen mußte. Ich habe immer davor gewarnt, daß es nicht gutgeht, wenn man dauernd auf die Werte einer Gesellschaft einprügelt. Irgendwann ist nichts mehr da. Soweit sind wir jetzt, nahezu jedenfalls." Joachim Fest, Publizist und ehemaliger "FAZ"-Herausgeber, in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" vom 12. Dezember 1999
"Die Linke, welcher Richtung auch immer, war stets ins eigene Entrüstungsgeschrei verliebt und hatte in den Gänsen des Kapitols ihre heimliche Ahnherrschaft. Der bewährte Anstoßpunkt war seit langem der Faschismusverdacht. Inzwischen ist davon, statt der Warnung vor einer tatsächlich drohenden Gefahr, nur das inhaltsleere Geschnatter übriggeblieben. Natürlich muß man sehen und gutheißen, daß die öffentliche Meinung dieses Landes nach den traumatischen Erfahrungen der Hitlerjahre überaus hellhörig ist. Aber hier geht es nicht um Hellhörigkeit, sondern um eine Form geistiger Erstarrung. Die Linke ist, nachdem sie viele Jahre lang die nahezu unangefochtene Bestimmungsmacht über Wörter und Begriffe ausübte, steril geworden und leiert die alten Stereotypen ab. Die wirkliche Gefahr, die sie sieht und fürchtet, ist nicht ein neu heraufziehender Faschismus, sondern die eigene Einfallslosigkeit, und daß sie zu den Problemen einer strukturell sich verändernden Welt nichts zu sagen hat. So greift sie auf das alte, liebgewordene Hausgespenst zurück, das zwar schon auf Krücken daherkommt, aber für einen Skandal in den quotenhungrigen Medien noch immer brauchbare Dienste leistet. So ist es im Historikerstreit gewesen, so in der Auseinandersetzung mit Botho Strauß, mit Hans Magnus Enzensberger, auch mit Martin Walser schon bei seiner Vereinigungsforderung und jetzt mit Sloterdijk." Joachim Fest, Publizist und ehemaliger "FAZ"-Herausgeber, in einem Interview mit der Zeitschrift "Criticón", Dezember 1999 |